Ortsmuseum Jois
Von der Steinzeit zur Weinzeit
„Ortskundliche Sammlung“
Der Grundstein für das heutige Museum Jois wurde schon in den 1960er Jahren vom Fachlehrer Heinrich Weiß gelegt. In den 1970er Jahren wurde auf Initiative des Schuldirektors Rudolf Treiber, mit Unterstützung durch die Gemeinde, die Sammlung erweitert. Die Joiser Bevölkerung öffneten ihre Dachböden, Scheunen und Keller und so entstand ein eindrucksvoller und lebendiger Überblick über das ehemalige Alltagsleben in Jois. Zudem wurden Dokumente zur Ortsgeschichte der Gemeinde sowie Fotos aus dem Leben in der Gemeinde gesammelt.
Beim Festakt anlässlich der Einweihung des neu errichteten Gemeindeamtes der Marktgemeinde Jois im Sommer 1974 wurde dem damaligen Bürgermeister Karl Haider vom Landeshauptmann Dr. Theodor Kery die Urkunde über die Verleihung des Gemeindewappens überreicht. Im Rahmen dieser Festlichkeit wurde die Sammlung erstmals in den Kellerräumen des Gemeindeamtes der Öffentlichkeit präsentiert.
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Da großes Interesse in der Dorfbevölkerung bestand, sammelten die Initiatoren weiter. Als eine ansehnliche Sammlung an Objekten zusammengetragen war, ordnete man die Gegenstände nach Sachgebieten. Vom 13. August 1978 bis Ende 1984 wurde die „Ortskundliche Sammlung“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im Winter 1984/85 wurden auf Anregung des Bürgermeisters Karl Haider und unter seiner Leitung die Ausstellungsräume neugestaltet und um ein Schulmuseum erweitert.
Gründung des Vereins „Ortskundliches Museum Jois“
Am 23. Juni 1985 wurden die neu adaptierten Museumsräume feierlich der Öffentlichkeit präsentiert. 1986 wurde der Verein „Ortskundliches Museum Jois“ gegründet. Die Leitung des Vereins oblag dem Bürgermeister Karl Haider und Frau Direktor Maria Treiber (Witwe des Initiators Direktor Rudolf Treiber). Aufgrund des weit gestreuten Sammlungsgutes von besonderem dokumentarischem Wert für die Ortsgeschichte, aber auch für die burgenländische Landesgeschichte, wurde das „Ortskundliche Museum Jois“ als Einheit im Öffentlichen Interesse mit Schreiben vom 7. Oktober 1986, Zl. 2476/1/86, vom Bundesdenkmalamt unter Denkmalschutz gestellt.
Generalsanierung, Neugestaltung, Namensänderung des Vereines
Ein aufgetretener, starker Holzwurmbefall war Anlass für die 2005 gestartete Generalsanierung der Museumräume und der Exponate. Ein neues Leitbild sollte den Besucher bereits im Vorfeld erkennen lassen, was ihn im Museum erwartet. Durch zahlreiche Funde ist belegt, dass der Joiser Raum schon in der Steinzeit besiedelt war und da die Weinwirtschaft in der Jetztzeit von großer Wichtigkeit und Bedeutung ist, wurde das Leitbild „Museum Jois – Von der Steinzeit zur Weinzeit“ gewählt.
Museum Jois – Von der Steinzeit zur Weinzeit
Unter diesem Leitbild sollte nun das Museum Jois umgestaltet werden. Im ersten Schritt wurden die Museumsräume ausgeräumt, vor die feuchten Außenwände zur besseren Luftzirkulation Vorsatzwände montiert und alle Räume neu ausgemalt. Die Beleuchtung wurde erneuert und auf das neue Ausstellungskonzept abgestimmt. Die Holz-Exponate wurden in einer Kammer mit Gas entwurmt und anschließend für die Präsentation hergerichtet.
Nach der Fertigstellung der Sanierungsarbeiten in den Museumsräumen wurden die Ausstellungsräume entsprechend dem neuen Leitbild themenbezogen ausgestattet und eingerichtet. Das Präsentationskonzept wurde von Ing. Reinhard Brabec erarbeitet und mit Fr. Dr. Gertraud Liesenfeld – Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien abgestimmt. Die Umsetzung nach diesem Konzept wurde von der Kulturabteilung des Landes Burgenland auch mit Finanzmitteln gefördert.
Weiters wurde die Umgestaltung des Museums durch Förderungen von der Marktgemeinde Jois, mit Spendengeldern von der Ortsbevölkerung und durch Eigenleistungen der Vereinsmitglieder finanziert.
Im Rahmen eines Festaktes wurde das neugestaltete Museum Jois unter dem Obmann Ing. Christian Seywerth von Landesrat Helmuth Bieler im Jahr 2006 wiedereröffnet.
Abb.2 / 020-02-jois-erkunden-museum
Unter dem Leitbild werden in den Museumsräumen im Keller des Gemeindeamtes und im ehemaligen Amtmannhaus das Leben und Wirken der Joiser Bevölkerung gezeigt. Der Bogen spannt sich vom ersten Nachweis menschlichen Lebens im Joiser Raum (Mittelsteinzeit 10.000 bis 5.800 v.Chr.), mit seiner Entwicklung über das traditionelle Handwerk bis hin zum nunmehr sehr wichtigen Erwerbszweig, der Weinwirtschaft. Dabei erhält der Besucher durch die einzelnen symbolischen Leitbildsegmente einen Einblick in das Leben im Dorf von einst und jetzt.
Im Raum Steinzeit werden die Fundgegenstände aus der Steinzeit, die Hügelgräber im Joiser Gemeindegebiet aus der Bronzezeit (Halsringschmuck), der Hallstattzeit (Schalen), Funde aus der Römerzeit (wie der Römerkopf-Fund aus Jois sowie ein Steingrab mit zwei Skeletten von Frauen und einigen Grabbeigaben, davon als Besonderheit eine gläserne Parfumphiole) gezeigt. Der wohl interessanteste und bedeutendste Fund im Gemeindegebiet ist die „Hinkende Germanin von Jois”, ein Frauenskelett mit einem ausgeheilten doppelten Unterschenkelbruch aus der Völkerwanderungszeit. Eine anschauliche Zeitleiste und Fotos ergänzen den Schauraum mit Informationen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts.
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Im Raum Ortszeit wird die Joiser Ortsentwicklung von der ersten urkundlich dokumentierten Namensnennung aus dem Jahre 1214 bis heute gezeigt. Anhand einer Zeitleiste, mit Dokumenten und einer ausgewählten Fotodokumentation, wird die historische Entwicklung von Jois präsentiert. Ausgewählte Exponate aus dem Leben im Ort und dem Kirchenbereich ergänzen und bereichern die Sammlung. Besonders zu erwähnen sind hier unter anderem die Insignien des letzten Nachtwächters und eine der letzten noch funktionierenden Turmratschen des Burgenlandes, die bis 1977 in der Pfarrkirche zum Hl. Georg in Betrieb war.
Abb. 4 / 020-04-jois-erkunden-museum
Im Raum Jahreszeit wird das bäuerliche Arbeitsjahr der vergangenen Zeiten behandelt. Hier werden die bäuerlichen Gerätschaften und Arbeitsmittel gezeigt, die im Laufe eines Jahres verwendet wurden. Eine eindrucksvolle Fotodokumentation veranschaulicht, wie diese Arbeitsmittel eingesetzt wurden. Der Bogen spannt sich von Bodenbestellung und Aussaat im Frühjahr, Unkrautbekämpfung und Grünfuttereinbringung bis hin zur Kirschenernte. Ende der 1930er Jahre gab es in Jois ca. 16.000 Kirschbäume, deren Früchte berühmt waren und auf die Wiener Märkte geliefert wurden. Bei der Weltausstellung 1900 in Paris erzielte die Joiser Kirsche sogar eine Auszeichnung.
Weiter geht es mit der Getreideernte und dem Drusch im Sommer, der Rüben- und Kukuruzernte sowie dem Pflügen im Herbst bis hin zur Schilfernte im Winter.
Abb. 5/ 020-05-jois-erkunden-museum
Im Raum Arbeitszeit werden die für Jois in der Vergangenheit typischen Handwerke mit Exponaten gezeigt. Es sind dies Schneider, Schuster, Tischler, Wagner, Fassbinder, Tapezierer und Schmied. Mit passenden Fotos werden die von den Handwerkern jeweils ausgeführten Tätigkeiten veranschaulicht.
Die Jagd und die Fischerei mit den zugehörigen Exponaten und Fotos sind als Brücke zum Freizeitbereich positioniert.
In einer umfangreichen Fotodokumentation wird das Leben in der Dorfgemeinschaft in der Freizeit gezeigt. Fotoserien über große Ereignisse, wie Erntedankfeste, Gemeindefeste, Veranstaltungen zum Kirtag bzw. „Kiritog“ (=Kirchweihfest), Fronleichnam, Glockenweihe, Weinverkostungen, Feiern im kleinen Kreis, Geselligkeiten im Gasthaus oder am Sportplatz geben so einen Einblick in die gelebte Vielfalt der Freizeitgestaltung.
Ein Modell des Schulgleiters SG38 lässt erkennen, wie Anfang der 1940er Jahre die Ausbildung von Piloten am seeseitigen Hang des Hackelsberges erfolgte.
Als Rarität ist auch eine immer noch funktionierende Original-Wassermausefalle zu besichtigen.
Abb. 6/ 020-06-jois-erkunden-museum
Der Raum Sonderausstellung wird für wechselnde Sonderausstellungen genutzt. Die Themen passen sich den besonderen Gegebenheiten an – wie z.B. 250 Jahre Pfarrkirche, 800 Jahre Jois oder 90/100 Jahre Burgenland oder aber auch besondere Jubiläen der Vereine.
Im ehemaligen Amtmannhaus, das hinter dem Gemeindeamt liegt, zeigt das Museum Jois weitere Themen aus dem früheren und heutigen Leben in der Marktgemeinde Jois.
Ein Raum ist der Freiwilligen Feuerwehr Jois gewidmet. Hier werden Pokale, Fahnen und Auszeichnungen, sowie eine ausgewählte Fotodokumentation ausgestellt. Es wird so eine Einsicht in das Wirken der „FFJ“ seit der Gründung für die Gemeinschaft und für die Bevölkerung von Jois vermittelt. Der alte Spritzenwagen, der jahrelang hier stand, ist aus Platzgründen in das neue Feuerwehrhaus gebracht worden.
Unter Weinzeit werden Werkzeuge und Geräte aus der Vergangenheit präsentiert, die für die Produktion von Wein verwendet wurden. Anhand von Fotos werden die Arbeitsweise in den Stockkulturen des vorigen Jahrhunderts und die Weinproduktion in der Vergangenheit gezeigt. Eine alte Steinpresse und Geräte für die Herstellung des Weines zeigen, mit welchem Aufwand und mit welcher Arbeitsleistung die Herstellung von Qualitätswein verbunden war. Eine Präsentation ausgewählter Flaschenweine in den verschiedenen Flaschenformen mit kunstvoll gestalteten Etiketten gibt einen Überblick über die Produktion von Qualitätsweinen der Joiser Winzer um die Jahrtausendwende und leitet damit in die Gegenwart über.
Abb.7/ 020-07-jois-erkunden-museum
Im Bereich Wohnzeit wird Einsicht in das häusliche Leben gewährt. Küche und Stube zeigen die Wohnverhältnisse mit der typischen Einrichtung in einem Joiser Haus in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts.
Abb.8/ 020-08-jois-erkunden-museum
Im Raum Schulzeit ist eine Schulklasse aus der Volksschule Jois mit der Einrichtung aus dem Ende der 1930er Jahre zu sehen. Schulbänke mit integrierten Sesseln und schrägen Schreibpulten mit eingelassenen Tintenfässern ermöglichen, den Schulalltag aus Großmutters Zeit mit dem Heute zu vergleichen. Die aufliegenden Schiefertafeln lassen erkennen, wie damals die Kinder mit Kreide die ersten Buchstaben des Alphabets zu schreiben lernten.
Im Jahr 2008 fand die Wiedereröffnung des Joiser Schulmuseums statt. Ergänzend dazu präsentierten sich die Volks- und Hauptschulen der Nachbargemeinden bzw. des Schulbezirkes mit Schautafeln. Zeitgleich gab es eine Fotoausstellung aus der Schulvergangenheit unter dem Titel „Lang, lang ist’s her “.
Abb.9 / 020-09-jois-erkunden-museum
Im Vorraum der Schulzeit, hat sich mittlerweile unsere Bücherecke etabliert. Hier können Bücher geholt, gebracht oder getauscht werden. Stöbern, genießen, plaudern und austauschen ist einmal im Monat ein Fixpunkt und wird von der Bevölkerung sehr gut angenommen.
Abb.10 / 020-10-jois-erkunden-museum
Das Museum heute
Der große Erfolg unserer Museumsgeschichte basiert auf dem unermüdlichen Einsatz vom ehemaligen Obmann Ing. Reinhard Brabec, der zusammen mit seiner Frau Maria das Museum in der Zeit von 2012 bis 2021 maßgeblich geprägt hat. Die beiden haben viele wichtige Kontakte geknüpft, Konkurrenzveranstaltungen besucht, einen Kursus zur Katalogisierung und Inventarisierung der Bilder und Exponate belegt und das Gelernte auch gleich in die Tat umgesetzt. Schon als Schriftführer unter der Leitung von Ing. Christian Seywerth war Ing. Reinhard Brabec die treibende Kraft bei der Vorbereitung und Gestaltung von Sonderausstellungen, die er dann auch in seiner Amtszeit weiterhin organisiert, zusammengestellt und präsentiert hat.
Am Staatsfeiertag, den 26. Oktober, gab es immer den Tag der offenen Museumstür – den wird es auch weiterhin geben. Führungen durchs Museum, ein kleiner Imbiss mit Umtrunk sowie ein Flohmarkt waren die Fixpunkte. Auf dem Flohmarkt konnte man die Bilder der vergangenen Sonderausstellungen ebenso wie gespendete Bücher günstig erwerben. Der Erlös kam der Museumskasse zugute. Das Angebot wurde sehr gerne angenommen. Aus dem Bücherflohmarkt wurde zwischenzeitlich die Bücherecke, die einmal im Monat geöffnet ist. Fotos können nach wie vor beim Vorstand bestellt werden.
Der Gang des Gemeindeamtes zum Sitzungssaal erfuhr durch etliche Fotos aus dem Museumsarchiv eine Aufwertung. Die Bürgermeistergalerie im Sitzungssaal der Gemeinde wurde unter der Regie von Ing. Brabec vereinheitlicht, die Bilderzeile begradigt und ansprechend gestaltet.
Im Gemeindestadel wurde ein Depot errichtet, Zwischendecken und Regale schafften Platz für Exponate des Museums, die gesammelt wurden und für künftige Ausstellungen gelagert sind, oder bereits gezeigt wurden. Die Erhaltung dieser Objekte ist für das Museum Jois von großer Bedeutung und Wichtigkeit und kann so sicher für die Nachwelt aufbewahrt werden.
Das Museum – eine bewegte Geschichte
1974 als Ortskundliche Sammlung angelegt von Dir. Rudolf Treiber
1986 Vereinsgründung als Ortskundliches Museum, Bürgermeister Karl Haider als Obmann, Frau Dir. Maria Treiber als Stellvertreterin
2006 Neugestaltung und Umbenennung in „Museum Jois – Von der Steinzeit zur Weinzeit“, Obmann Ing. Christian Seywerth, Stellvertreter Mag. Harald Straßl
2012 Neuwahl des Vorstandes; Herr Ing. Reinhard Brabec übernimmt die Leitung als Obmann; Obmannstellvertreter wird Christian Schmidt-Maszl
2021 Neues Team unter der Leitung von Silvia Hoffmann, Obmannstellvertreter wird wieder Christian Schmidt-Maszl
Rätselrally:
In welchem Jahr hat die Sammlung begonnen?
Wann wurde der Verein „Museum Jois – Von der Steinzeit zur Weinzeit“ gegründet?
Was ist der interessanteste Fund im Raum Steinzeit?
Aus welcher Zeit ist das Klassenzimmer im Schulmuseum?
Ehem. Pfarrhof am Standort des Gemeindeamtes
Von der religiösen zur kommunalen Gemeindeverwaltung
Wo befand sich der ehemalige Pfarrhof?
Schriftliche Aufzeichnungen eines sogenannten Hausübergabe-Buches belegen, dass sich der ehem. Pfarrhof noch im Jahr 1843 auf dem Areal des heutigen Gemeindeamtes befand. Er lag zwischen der ehemals röm.-kath. Volksschule (Untere Hauptstraße 21) und dem Haus der Familie Rausch (Untere Hauptstraße 25) und damit zugleich auch am Fuße des Kirchbergs, auf dem sich die Pfarrkirche erhebt.
Welche Räume hatte der damalige Pfarrhof?
Die römisch-katholischen Pfarren wurden in periodischen Abständen, meist in fünf Jahreszyklen, durch den Bischof oder dessen Vertreter visitiert um den Zustand der Bauwerke wie Pfarrkirche, Pfarrhof und Nebengebäude sowie die Seelsorgetätigkeit des Pfarrers zu überprüfen. Anlässlich der Visitationen wurden Protokolle erstellt. Daraus kann noch heute das Erscheinungsbild und der Zustand der Bauwerke abgeleitet werden.
Der Visitationsbericht 1735 hält fest, dass der Pfarrhof gut gebaut ist. Er hatte damals zwei Zimmer im Obergeschoß für den Pfarrer und im Untergeschoß zwei Räume für das Gesinde. Außerdem gab es zwei gewölbte Kammern, einen Schüttkasten, ein Presshaus, einen gewölbten Keller und zwei Stallungen für das Vieh. Auch ein Stadel und ein eingezäunter Garten gehörten dazu.
Wohin übersiedelte der Pfarrhof im 19. Jahrhundert?
Im 19. Jahrhundert wurde das Gebäude des alten Pfarrhofes an den damaligen Gemeindenotär verkauft. Zwischen 1844 und 1856 kam es zur Übersiedlung an den heutigen Standort in der Unteren Hauptstraße 24, direkt neben der später errichteten Herz Jesu-Kirche.
Rätselrally:
Wo befand sich der ehemalige Pfarrhof?
Was ist ein Visitationsbericht?
Welche Räume hatte der damalige Pfarrhof?
Wann übersiedelte der Pfarrhof?
Wohin erfolgte die Übersiedelung des Pfarrhofes?
Lattes- oder Brucker Hof
Bekanntester Edelhof im Ortskern von Jois
Was ist ein Edelhof?
Es ist bekannt, dass es in Jois einige Edelhöfe gegeben hat. Das Wort Edelhof kommt vom Wort edel, das wieder von adelig, also von Adel abgeleitet wird. Ursprünglich wurden solche Höfe vom König als obersten Grundherrn an verdiente Personen verliehen. Der König schenkte Rittern, Adeligen, hohen Beamten oder Offizieren solche Besitzungen, um sie zu entlohnen bzw. für ihre Erfolge auszuzeichnen. Diese Höfe wurden auch Freihöfe genannt, weil sie von Abgaben und anderen Dienstleistungen an den Grundherrn befreit waren.
Bekanntester Edelhof von Jois
Es ist nicht ganz klar, wie viele Edel- oder Freihöfe es in Jois im Laufe der Zeit gegeben hat. Im Urbar (=Verzeichnis über die Besitzrechte einer Grundherrschaft und die zu erbringenden Leistungen ihrer Grunduntertanen) des Jahres 1525 werden vier Edelhöfe angegeben, ebenso in einem Bericht aus dem Jahr 1718. Der Große Bruckerhof wird im Urbar als Latteshof erwähnt. Er ist einer der ältesten Edelhöfe in Jois.
Von 1555 bis 1914 war er im Besitz der Stadt Bruck an der Leitha. Das Gebäude, eine zweiflügelige Anlage mit älterem, zumindest in das 16. Jahrhundert zurückreichenden Baukern, geht in seiner bestehenden Form auf das 17. Jahrhundert zurück. Die barocke Raumaufteilung und Ausstattung hat sich im Inneren nahezu unverändert erhalten. Vom 18. bis 20. Jahrhundert erfolgten laufende Adaptierungen.
Zum Hof gehörte ehemals auch die Latteshof-Wiese, ein Fischwasser am See und das Bergrecht von etlichen Weingärten.
Frühere Besitzer
Im 15. und 16. Jahrhundert war er im Besitz von bedeutenden Räten der Königin Maria von Ungarn. Zunächst besaß ihn Ritter Wilhelm Enzersdorffer (2. Hälfte 15. Jahrhundert) und später Hauptmann Jakob von Stamp (1532 – 1555). Letzterer war auch im Besitz des Kleinen Bruckerhofes in der Unteren Hauptstraße 38a – 40c (siehe Station 30).
Großer Brand von 1836
Am Abend des 22. Jänner 1836 war in Jois ein Großfeuer ausgebrochen. Innerhalb einer Stunde wurden 24 Bauernhäuser, drei Kleinhäusler, der große Brucker Edelhof und das Schulhaus eingeäschert. Der Bruckerhof war damals von elf Parteien bewohnt. Personen und das Vieh kamen nicht zu Schaden. Allerdings verbrannten in den Scheunen die Futtervorräte.
Der Große Bruckerhof im 20. Jahrhundert
Am 29. Dezember 1914 wurde der Große Bruckerhof an die Heeresverwaltung übergeben bzw. 1930 dem Ehepaar Michael und Anna Hackl verkauft, die ihn später an ihren Sohn Emmerich vererbten. 1969 ging er durch Kauf in den Besitz von Leonhard Wetschka und seine Familie über.
Äußeres Erscheinungsbild
Die Straßenfassade weist sechs Fensterachsen auf. Die mit einem Rundbogen gerahmte Einfahrt ist in der vierten Fensterachse situiert. Nach der Einfahrt weist die Straßenfront einen Knick auf. An der Fassade sind generell 2-flügelige, nach außen öffnende Holzkastenfenster mit Oberlichten vorhanden. Die Fensterflügel und Oberlichten sind mit Sprossen geteilt. Die Fenster sind mit Putzfaschen bzw. mit Steingewänden gerahmt.
Ehemals bemerkenswerte Fassadengestaltung
Wie auf alten historischen Fotos zu erkennen ist, war die Fassadenfläche im Erdgeschoss ehemals mit waagrechten Putznuten gegliedert. Im Obergeschoss wurde die glatte Putzfläche durch doppelte Putzlisenen unterteilt. An den Gebäudeecken waren ums Eck geführte Bossen vorhanden. Ein profiliertes Traufgesims, welches heute noch sichtbar ist, ist vorhanden. Die heute noch existierende Dacheindeckung ist vermutlich die ursprüngliche, bestehend aus glatten rechteckigen Ziegeltaschen.
Die Fassade scheint aufgrund der Farbunterschiede der Fotos mehrfärbig gestaltet gewesen zu sein. An den Giebelflächen ist ein “Katzensteig” (manchmal auch als „Katzenstiege“ bezeichnet) als abgetreppter Ziegelverband sichtbar. Die Dachfläche wird durch mächtige mehrzügige Kamine durchdrungen. Seinerzeit waren Storchennester an den Kaminköpfen angebracht.
Literatur
Franz Hillinger, Jois – 800 Jahre und mehr, hg. von der Marktgemeinde Jois, Jois 2008, S. 164, 222-224
Sog. Lattes oder Brucker Hof, in: Adelheid Schmeller-Kitt, Die Kunstdenkmäler Österreichs: topographisches Denkmälerinventar: Burgenland, hg. vom Bundesdenkmalamt, Wien 1980, S. 372-373.
Röm.-kath. Pfarrkirche hl. Georg
Hoch erhaben über dem Neusiedlersee
Die heutige Pfarrkirche von Jois ist auf den Fundamenten eines romanischen Vorgängerbaus aus dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts errichtet (Saalkirche mit Westturm). Der ursprüngliche Hochaltar war der Maria Himmelfahrt geweiht.
Der Einsturz eines Teils der Kirche im Jahr 1751 gab den Anlass für den spätbarocken Neubau, der zwischen 1752 und 1757 mit der finanziellen Unterstützung der Patronatsherrin Kaiserin Maria Theresia errichtet wurde. Die erst 1997 freigelegten Wandmalereien in der Apsis (Engel) sind etwas jünger (vermutlich um 1764). Der heutige Aufbau des Hochaltars wurde 1865 aus der St. Michaelskirche von Ödenburg (Sopron) angekauft. Damals schuf der Maler Franz Storno d. Ä. das heutige Altarblatt mit der Darstellung der Schutzmantelmadonna.
Die Sage vom Sargnagel
Mündlich überlieferte Sage von Katharina Tötschinger, geb. Hantl, geb. 1880 (Großmutter von Hermann Tötschinger)
Früher war es üblich, dass Angehörige bei Verstorbenen zuhause bis zum Zeitpunkt des Begräbnisses eine „Totenwache“ hielten. Aus dieser “Totenwache” leitet sich das heute noch im Dorfjargon gebräuchliche “wochtn” als Bezeichnung für die Betstunde des Verstobenen ab.
Eines Tages verstarb ein Fremder in Jois, der auf der Durchreise war. Die Frage war, wohin mit dem Leichnam bis zur Überführung in seine Heimat, bis zum Begräbnis? Die Joiser trugen ihn kurzerhand im Sarg in ihre Friedhofskapelle (Station 4) (Verlinkung). Hier lag er nun „unbewacht“, weit weg von zuhause.
Der Tod des Reisenden hatte sich schnell herumgesprochen. Bald wusste es die ganze Gemeinde und selbst im Gasthaus wurde über ihn geredet. Wer war der Fremde, woher kam er, woran ist er gestorben usw. Bald war man im Gespräch. Es wurden auch Gruselgeschichten über den Friedhof erzählt. Wie unheimlich es dort in der Nacht sei; dass man nachts nicht durch den Friedhof gehen solle, denn die armen Seelen halten einen oft fest und bitten um ein erlösendes Gebet.
Unter den Zuhörern waren auch ein paar Burschen, die bereits ordentlich über den Durst getrunken hatten und sich daher überaus stark und mutig fühlten. Der Wirt goss noch Öl ins Feuer und forderte die Burschen heraus: „Wenn sich jemand von euch allein und ohne Laterne in die Friedhofskapelle zum Sarg des Toten traut, dem spende ich zehn Liter Wein und ein Essen“. Bei so einem Angebot wollte keiner der Burschen zugeben, dass er im Grunde doch Angst hat, eine solche Tat zu begehen. So dauerte es dann doch eine Weile, bis sich einer der Burschen durchrang und die Herausforderung des Wirtes annahm: „Ich habe keine Angst, ich mache es!“
„Aber wie sollte man das kontrollieren? Vielleicht täuscht er das nur vor und geht gar nicht bis zum Sarg?“, fragten sich die Anwesenden. Man beschloss daher, dass er zum Zeichen dafür, dass er wirklich beim Sarg war, einen Nagel in den Sarg einschlagen müsse. Am nächsten Tag wollte man sich bei Sonnenaufgang vor der Kapelle treffen, um dann zu überprüfen, ob der Nagel tatsächlich in den Sarg eingeschlagen wurde. Hammer und Nagel wurden dem jungen Mann in die Hand gedrückt. Dieser verließ das Wirtshaus Richtung Friedhof. Auch die anderen gingen bald heimwärts.
In aller Früh des nächsten Tages traf einer nach dem anderen beim Friedhof ein, selbst der Wirt. Nur einer fehlte, die eigentliche Hauptperson, der junge Bursch, der noch am Abend zuvor mit seinem Wagemut geprahlt hatte. Hatte er verschlafen? Oder hatte er sich letztendlich doch nicht getraut? War er zu feig gewesen, schämte er sich und kam deshalb nicht hierher?
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Nächtlicher Spuk in der Friedhofskapelle von Jois © Zeichnung zur Sage von Mag. Susanne Winter
Nach einer Weile öffneten die anwesenden Ortsbewohner die Tür zur Kapelle – und siehe da – neben dem Sarg mit dem toten Fremden lag tot auf der Erde auch ihr Freund. Was um Himmels Willen war passiert?
Beim näheren Hinsehen merkten alle rasch, dass der Nagel tatsächlich eingeschlagen war, ihr Kamerad aber unglücklicherweise beim Einschlagen des Nagels seinen eigenen Rock mit angenagelt hatte. Als der Kamerad nach seiner Heldentat nach Hause eilen wollte, gelang es ihm nicht. Er war vom eigenen Nagel zurückgehalten worden. Weil er jedoch meinte, der Tote hielte ihn zurück, geriet er in Panik und erlag einem Herzschlag. So wurde der eingeschlagene Nagel zu seinem eigenen Sargnagel.
…und Ortsfremde wurden mit Einheimischen im Tode vereint.
Aus dem Buch „Hexen, Tod & Teufel“, Geschichte und Geschichten aus Jois,
Verfasser: Msgr. Dr. Franz Hillinger, 2015